Rede von Sandra Brunner, Bezirksvorsitzende DIE LINKE. Pankow auf der Hauptversammlung am 4. März 2023

Liebe Genossinnen und Genossen,

zunächst möchte ich Danke sagen. Danke für Euren engagierten Einsatz im Wahlkampf. Wir haben gemeinsam seit November gerackert, um diesen kurzen und harten Winterwahlkampf auf die Beine zu stellen.

Wir haben uns gemeinsam am Infostand kalte Füße geholt. Beim Plakatieren waren die Hände klamm.

Ihr habt an den Haustüren für Gespräche geklingelt und zehntausende Materialien gesteckt. Ihr habt gespendet, ihr habt in den sozialen Medien unsere Botschaften getwittert.

Dafür herzlichen Dank.

Ganz besonders ist mein Herz mit Blick auf die Genossinnen aufgegangen, die in unserer Geschäftsstelle mitgeholfen haben. Sie haben linke Weihnachtstüten beschmückt, rote Herzchen gestrickt und unermüdlich Wahlkampftüten für unsere Infostände gepackt. Das hat unseren Straßenwahlkampf kolossal erleichtert.

Deswegen gilt mein besonderer Dank - früher nannten wir das „Straße der Besten“:  Marina Heimbrodt, Tina Pfaff, Karin Dietzel, Margit Bauer und Brigitta Kähn.

Liebe Genossinnen und Genossen,

am Wahlabend habe ich in viele Gesichter geschaut und zunächst Erleichterung gesehen. Nicht wenige von uns haben mit einem schlimmeren Ausgang gerechnet.

Und die Ausgangsbedingungen waren ja auch schwierig.

Die Pannenwahl 2021 hat bei vielen Wähler*innen für Empörung gesorgt.

Es drohte, dass wir als LINKE im Dreikampf von CDU, SPD und Grünen ums Rote Rathaus untergehen.

Die LINKE insgesamt ist in einer schwierigen Lage. Sie wird als zerstritten wahrgenommen und hat in den letzten Jahren viele Wahlen verloren.

All das waren keine guten Ausgangsbedingungen.

Ganz besonders bewegt uns alle, wie der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg in der Ukraine beendet werden kann, wir Friedenspartei bleiben und gleichzeitig als Internationalist*innen Solidarität mit der Bevölkerung in der Ukraine zeigen können.

Und - das ist mir wichtig- wie wir dabei klare Kante gegen rechts zeigen.

All das und noch viel mehr lässt derzeit viele unserer Mitglieder unzufrieden zurück. 145 Genoss*innen haben uns im letzten Jahr bereits leider den Rücken gekehrt.

Vor allem die Genoss*innen unter 40 verlassen uns mit dem Verweis darauf, dass wir immer noch keine konsequente Position gegen Putins Angriffskrieg haben.

Auch mich treibt der Mangel an ernstem Bemühen um einen tauglichen Vorschlag für eine außen- und friedenspolitische Strategie der Partei um.

Das ist in unserer Partei immer noch eine offene politische Frage.

Und gleichwohl: Das Ergebnis von 12,2 % in Berlin war und ist wichtig. Ob damit der Rutschbahneffekt nach unten für DIE LINKE gebremst ist, ist für mich persönlich noch offen.

In Bremen finden am 14. Mai die Bürgerschaftswahlen statt. Und im Herbst 2024 finden in Thüringen die Landtagswahlen statt.

In beiden Ländern geht es darum, ob DIE LINKE insgesamt noch als Gestaltungskraft wahrgenommen wird, ob der LINKEN insgesamt noch eine Zukunft zugetraut wird.

Und, auch vor diesem Hintergrund, war ich diese Woche ziemlich gedätscht.

Mit der Ankündigung der SPD, nun doch mit der CDU ins Bett hüpfen zu wollen, fühlt sich unser Berliner Wahlergebnis wie eine Niederlage an. Ich glaube, vielen von Euch geht es auch so.

Und dass die SPD für ihre schwarzen Avancen, für diese Koalition der Mutlosen nunmehr versucht, den Grünen und uns für eine angebliche Regierungsunfähigkeit und Unzuverlässigkeit die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist eine Unverschämtheit.

Na klar, als LINKE haben wir jetzt in der Opposition weniger politischen und gesellschaftlichen Einfluss.

Wir werden uns die Ergebnisse genau anschauen und analysieren müssen, wie wir uns als Berliner LINKE für 2026 neu aufstellen können, ohne in Verbalradikalismus und Selbstbeschäftigung abzugleiten.

Und das braucht Nachdenken, das braucht Substanz und Konzepte.

Auch weil viele Menschen bei den Wahlen Hoffnungen in uns, in die Berliner LINKE gesetzt haben. Die Bürgerinitiative am Schloßpark, die Flüchtlingsinitiativen, Menschen aus der Wohnungslosenhilfe und viele andere mehr. Deswegen werden wir weiterhin schauen, was die Stadt braucht. Auch in der Opposition.

Es gibt links von der CDU Mehrheiten in dieser Stadt. Und diese müssen wir nutzen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

mit Blick auf unseren Bezirk Pankow hatten wir uns vorgenommen, um zwei Direktmandate in Pankow-Zentrum und in Pankow-Süd zu kämpfen.

Wir haben gekämpft, und auch unsere Wahlkampfressourcen hier schwerpunktmäßig eingesetzt, aber es hat leider nicht gereicht. Der Abstand zu den beiden grünen Wahlkreisgewinner*innen ist merklich gewachsen.

Wir hatten uns vorgenommen, dass unsere beiden Bezirksamtsmitglieder, Sören Benn als Bezirksbürgermeister und Dominique Krössin als Schulstadträtin, ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen können. Und wir ein gutes Ergebnis für die Bezirksverordnetenversammlung herausholen.

Und das Ergebnis ist irgendwie bitter.

Wir haben als Pankower LINKE zwar nur moderat bei den BVV-Wahlen verloren. Rund 1,6 %. Das sind weniger Prozentpunkte, als wir bei den Zweitstimmen zum Berliner Abgeordnetenhaus verloren haben.

Und trotzdem sind wir in der BVV jetzt nur noch drittstärkste Kraft.

Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass die CDU in unserem Bezirk an uns vorüberzieht. Und – ähnlich wie im gesamten Berlin – sehen wir auch in Pankow, dass unser Bezirk innen grün und außen schwarz ist.

Als LINKE haben wir einen Sitz weniger in der BVV. Die SPD hat zwei Sitze verloren. Im Ergebnis ist damit die rot-rote Zählgemeinschaft, die ohnehin seit 2021 schon in der Minderheit war, weiter geschrumpft.

Auch die Grünen haben einen Sitz verloren.

Letztlich haben nur die CDU und AfD hinzugewonnen.

Und, rechnerisch, haben wir im Bezirksamt nur noch einen Platz.

Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich Dominique und Sören danken.

Sören bestimmt als Bezirksbürgermeister mehr als 6 Jahre lang die Geschicke von Pankow erfolgreich mit.

Sören ist ein Politiker im besten Sinne. Er stößt Debatten an, wie man die Bezirke lebenswerter machen kann, wie Verwaltung besser funktioniert, damit sie für die Bürger*innen da ist.

Sören legt sich mit dem Senat an, wenn es um den Bezirk geht. Danke Sören!

Dominique – ist jetzt fast 1,5 Jahre im Amt.

Während andere das Schulressort fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, ist es für Dominique das Traumressort. Und mit Recht.

Ihr schlaues Verhandeln im Hintergrund, mit viel politischem Feingefühl und gemeinsam mit den Schulgemeinschaften ist es ihr gelungen, weiteres Geld für dringend benötigte Sanierungen für 3 Schulen heranzuschaffen, darunter das marode Gymnasium am Europa-Sportpark. Obwohl die Senatsfinanzverwaltung krampfhaft versucht hat, das Portemonnaie fest zuzuhalten.

Vielen Dank, Dominique.

Nun sind wir in Verhandlungen mit den anderen demokratischen Parteien mit Blick auf die Bezirksamtsbildung und mit Blick auf wechselnde BVV-Mehrheiten. Hierzu wird der Vorsitzende der BVV-Fraktion gleich noch näheres erzählen.

Eine mögliche Zusammenarbeit von Jamaika haben wir in der BVV in Sachen Thälmannpark im letzten Jahr schon erleben können. Statt Bebauungsplänen und Bürgerbeteiligung, statt Schule und Grünzug sollen hier Grundstücke des Investors Gérôme für teure Bürohochhäuser vergoldet werden.

Und trotzdem hauen wir nicht in den Sack. Vielmehr: Wir haben einen Sack voller Arbeit.

Pankow braucht mehr Schulplätze. Und damit Druck beim Senat für mehr Geld bei den Schulsanierungen.

Der Kampf gegen Verdrängung durch teure Mieten bleibt aktuell.

Neubauvorhaben und Nachverdichtungen müssen mit sozialem und ökologischem Augenmaß erfolgen. Grüne Innenhöfe dürften nicht zubetoniert werden.

Liebe Genossinnen und Genossen,

Euch liegt heute eine Wahlkampfauswertung vor. Das kann natürlich nur ein erster Schritt sein.

Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten genau schauen, was wir in unserer politischen Arbeit und in unserer Parteiarbeit werden verändern müssen. Und dass bei einer klammeren Haushaltskasse.

Zudem wird es noch eine konkrete Wahlanalyse geben. Daran sitzen wir gerade.

Auch dies soll uns die Möglichkeit bieten, den Blick zu schärfen, wo wir bei den jetzigen Wiederholungswahlen unser Potential einigermaßen abgerufen haben. Dies betrifft vor allem die Innenstadtbereiche.

Und, wo wir immer weniger gewählt werden. Das ist überwiegend im Norden und Osten unseres Bezirks der Fall.

Auch hier werden wir uns die Frage stellen, welche Ursachen es hierfür gibt und welche Rezepte uns einfallen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich freue mich auf eine gute Debatte mit Euch. Heute und in den nächsten Monaten.

Und ich bin mir sicher, dass wir das – bei aller Verschiedenheit – klar an der Sache, klar in der Sache und solidarisch hinkriegen.

Denn das ist das, was unseren Bezirksverband ausmacht.

Es gilt das gesprochene Wort.