Rede von Sandra Brunner, Bezirksvorsitzende DIE LINKE. Pankow auf der Hauptversammlung am 15. Oktober 2022


Liebe Genossinnen und Genossen,

als ich vor gut 2 Wochen beim Verfassungsgerichtshof saß, dachte ich zuerst: Oh Gott, schon wieder Wahlen. Mit vollständigen Wiederholungswahlen habe ich – ehrlich gesagt - nicht gerechnet.

Zwar müssen wir erst einmal die Urteilsverkündung am 16. November abwarten. Aber lasst uns darauf einrichten, dass wir am 12. Februar wieder für das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlung an die Urnen müssen.

Was den Bundestag betrifft, so ist offen, ob, wann und in welchem Umfang wir auch Teilwiederholungswahlen beim Bundestag haben werden.

Aber zurück zu den Berlin-Wahlen:

Diese Wahlen werden andere sein, als die, die wir am 26. September letzten Jahres hatten.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise, die damit verbundenen Existenznöte und -ängste, Corona, der fortschreitende Klimawandel und die Unzufriedenheit mit der Demokratie – das sind gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Und die Krise geht jetzt erst so richtig los.

Und Krisenzeiten sind nicht unbedingt gute Zeiten für linke Parteien. Europaweit gewinnen Rechtspopulisten und Faschisten Wahlen und die Linke insgesamt ist in der Krise.

Selbst wenn die Menschen nach dem Wahlchaos im letzten Jahr überhaupt noch Bock auf Wahlen haben sollten, wird es für uns sicher nicht leicht. Umfragen und die letzten Wahlen seit der verlorenen Bundestagswahl lassen Zweifel aufkommen, ob man unserer Partei überhaupt noch was zutraut.

Gerade das letzte Jahr war doch für uns alle – egal ob 2 oder 70 Jahre Mitglied in der Partei – extrem schwierig. Die Bundesebene unserer Partei, vor allem die Bundestagsfraktion, bietet ein verstörendes Bild.

Uns haben in diesem Jahr sehr viele Genoss*innen verlassen. Fast 10 % unserer Mitglieder.

Uns kehren sowohl diejenigen den Rücken, die finden, wir hätten die NATO nicht genug kritisiert und würden unsere friedenspolitischen Positionen aufgeben. Als auch diejenigen, die finden, dass wir immer noch keine konsequente Position gegen Putins Angriffskrieg haben.

Dass neben und in Folge des Angriffskriegs ein Wirtschaftskrieg stattfindet, ist unbestritten. Wer für diesen Wirtschaftskrieg verantwortlich ist, ist innerparteilich umstritten. So zu tun, der „Westen“ und die Nato hätten ihn ohne Not vom Zaun gebrochen, scheint mir eine absurde Form von Täter-Opfer-Umkehr.

Das Beispiel macht deutlich: Die Interessensgegensätze sind diametral.

Und eben nicht nur in der Friedens- und Außenpolitik. Ob die Diskussion über den Klimawandel, die Verkehrs- und Energiepolitik, die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik - in fast allen die Gesellschaft polarisierenden Fragen geht ein Riss durch unsere Partei. Und wenn da Appelle an die Einheit und Geschlossenheit der Partei da was helfen würden, dann wäre ja schon längst alles wieder gut. Aber Appelle helfen nix.   

Diese Konflikte, diese Zweifel spüren wir doch alle selbst.

Das wird aber leider nicht schnell zu klären sein. Da geht es um viel Grundsätzliches. Um Programmatisches, Strategisches und da hat sich eine Menge aufgestaut, das sich jetzt nicht mehr so einfach zudecken lässt. Das sehen die Wählerinnen und Wähler offensichtlich klarer als wir selbst, wenn wir uns die letzten Wahlergebnisse anschauen.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir mitten in einer gesellschaftlichen Krise als Partei selbst in einer Krise stecken. In Berlin und in Pankow weniger als im Bund, aber alles in allem schon schwer genug.

Deshalb sollten wir uns genau überlegen, mit welchem Gestus und aus welcher Ausgangslage wir in die Wiederholungswahlen gehen.

So zu tun, als könnte eine 4,9 %-Partei die Ampel vor sich hertreiben, halte ich für nicht angemessen.

In Berlin und in Pankow hingegen haben wir eine politische Funktion, die wir im Bund nicht haben. Wir haben in der Landesregierung und dem Bezirksamt realen Einfluss, der für die Menschen im Alltag und eben jetzt auch im sozial-ökologischen Krisenalltag einen realen und materiellen Unterschied macht.

Das Berliner Entlastungsprogramm gehört dazu. Wer seine Miete oder seine Energiekosten nicht mehr zahlen kann, soll Hilfe aus dem Härtefallfonds erhalten.

Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sollen diesen Winter niemanden kündigen dürfen.

Wir streiten für eine soziale Staffelung beim Anschlussticket, also ein 9 Euro Ticket für die Sozialleistungsbeziehenden.

Weil wir Wohnungslosigkeit überwinden wollen, bekommt Housing First mehr Mittel. Und wir kümmern uns darum, dass Sozialleistungsbeziehende auch ihre vollen Heizkosten übernommen bekommen. Damit niemand im Kalten sitzen muss.

Es kommt darauf an, die Menschen davon zu überzeugen, dass es Sinn macht, dass wir diesen Einfluss in Berlin und Pankow weiter ausüben können.

Bei allen unterschiedlichen Einschätzungen: Jetzt gilt es für uns alle, genau da mitzutun.

Und ich habe diesen Bezirksverband immer als einen erlebt, der da ist, wenn’s drauf ankommt.

Und das tut es jetzt. Denn die Wahlen in Berlin werden auch auf der Folie stattfinden, ob DIE LINKE überhaupt noch eine Zukunft hat.

Liebe Genossinnen und Genossen,

Es ist nicht die Zeit, zu verzagen. Fassen wir uns ein Herz, überzeugen wir uns und andere, dass Solidarität der Schlüssel zur Bewältigung der Krise ist. Dass nur sozial sicher auch krisensicher ist. Katja hat es in ihrer Rede gerade aufgezeigt.

Und der Wahlkampf beginnt: Jetzt!

Weihnachten, wenn viele zusammensitzen, dann wird auch über die aktuellen Krisen und Sorgen geredet werden. Dann müssen wir als LINKE Teil dessen sein. Und zwar im positiven Sinne.

Und deshalb wollen wir vor den Weihnachtsfeiertagen auf der Straße sein und mit Steckaktionen unsere Botschaften in die Pankower Briefkästen verteilen.

Wir wollen Nikolaus-Infostände machen, Popcorn und rote Socken verteilen und für unsere solidarischen Inhalte werben. Die BO Merkste selba?! wird sicher mit ihren Nachtinfoständen und Glühwein die Straßen unsicher machen.

Einen Winter-Wahlkampf haben von uns bislang die wenigsten gemacht. Und damit Genoss*innen sich nicht die Füße abfrieren, wollen wir zentralen Infostände an den Knotenpunkten des Bezirks organisieren.

Mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahlen werden wir vor allem um die Zweit-Stimme werben.

Mit Ausnahme von 2 Wahlkreisen: Klaus Lederer im Wahlkreis 3 in Zentral-Pankow lag beim letzten Mal nur 24 Stimmen hinter der grünen Bewerberin. Bei Katrin Seidel im Wahlkreis 5 in Pankow-Süd waren es 180.  Hier ist doch völlig klar, dass wir auch einen Erststimmen-Wahlkampf machen.

Wenn am 12. Februar Wahltag ist, dann heißt das zurückgerechnet, dass wir ab dem ersten Weihnachtsfeiertag Plakate aufhängen dürfen. Und damit die Gans oder die Ente in der Röhre nicht kalt wird, müssen wir das gut organisieren.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ein Hinweis und ein Dank sei mir noch gestattet:

Zum Hinweis: Es wird voraussichtlich so sein, dass wir noch eine kurze Bezirksvertreter*innenkonferenz Anfang Dezember einberufen müssen. Zwar stehen bei Wiederholungswahlen all unsere Kandidat*innen wieder auf dem Stimmzettel.

Mit einer Ausnahme: Janine Walter leitet derzeit das RLS-Büro in Johannesburg. Sie hat keine Meldeadresse mehr in Berlin. Damit ist sie nicht mehr wählbar. Deswegen müssen wir für den Abgeordnetenhauswahlkreis 8 aller Voraussicht nach noch eine Kandidatin oder einen Kandidaten nachnominieren.

Zum Dank:

Ich möchte mich ganz herzlich bei Astrid Landero und Matthias Zarbock bedanken. Beide haben – aus unterschiedlichen Gründen – ihr BVV-Mandat niedergelegt. Matthias hat das Gesicht der Pankower LINKEN über viele Jahre mitbestimmt. Seine kommunalpolitische Kompetenz und sein enormes Wissen werden fehlen. Vielen Dank Matthias.

Mein Dank gilt auch Astrid – die Berliner Frauenpreisträgerin, die für uns viel gewuppt hat, die mit so viel Power unterwegs ist.

Lasst uns für soziale Mehrheiten in dieser Stadt streiten. Nur eine starke LINKE ist der Garant dafür, dass niemand zurückgelassen wird.

Ich will, dass unser Senatsteam – mit Katja Kipping, Lena Kreck und Klaus Lederer – weitermachen kann.

Kämpfen wir in Pankow darum, dass Sören Benn seine erfolgreiche Arbeit als Bezirksbürgermeister fortführen kann. Im Team mit Dominique Krössin. Der besten Schulstadträtin ever.

 

Es gilt das gesprochene Wort.