"Berlin ist seine Bezirke"

Man will es nicht glauben. Sören Benn ist jetzt schon seit fünf Jahren Bezirksbürgermeister von Pankow. 

Er hat überzeugt mit Kompetenz, Engagement und Bürgernähe. Wir haben ihn gefragt:
 

2016 neu auf dem Bürgermeistersessel - welche Vorstellungen hattest Du und wie war es dann wirklich? 

Ich habe es mir vorher ja nicht konkret ausgemalt und durch meine politische Arbeit in den vielen Jahren davor, war ich im Prinzip schon ganz gut eingestellt, auf das was mich inhaltlich erwartet. Trotzdem ist es im Alltag dann doch gewöhnungsbedürftig. Die Themenfülle, mit der man sich täglich befassen muss, ist anfangs schwindelerregend. Daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Was meine Möglichkeiten angeht, Prozesse zu beschleunigen und die Arbeit der Verwaltung zu verbessern, musste ich einiges Lehrgeld bezahlen. Die Bretter sind wesentlich dicker, als ich dachte und man muss sich eine sehr spezielle Mischung aus Langmut und Ungeduld aneignen, um einerseits nicht Teil des Problems zu werden und andererseits nicht alle Verbündeten, die man braucht, zu verprellen. Das Geld reicht natürlich hinten und vorne nicht. 
 

Blieb Zeit für den Kleingarten und das Private?  

In den ersten zwei Jahren war da nichts mehr außer das Amt. Mit der Zeit lernt man aber, effektiver zu führen, weiß, auf wen man sich verlassen kann, wo man gezielt intervenieren muss. Man lernt, dass man einigermaßen ausgeruht und gelassen sein muss, um voll konzentriert sein zu können, wenn es drauf ankommt und auch motivierend für das eigene Arbeitsumfeld sein will. Insofern habe ich mir mit der Zeit auch wieder kleine Freiräume erarbeitet. Was eben nach 60 bis70 Stunden noch übrig ist. 
 

Was ist in den letzten Jahren in Pankow gut gelungen, was war wirklich neu?  

Da gibt es tatsächlich weit mehr, als öffentlich bekannt ist und hier hineinpasst. Wir haben unser Bibliotheksnetz erweitert und für die Zukunft gesichert. Das Bildungs- und Integrationszentrum Buch befindet sich vor dem Baustart. Wir sind die Spielplatzsanierungen engagiert angegangen, haben alle Grundstücke für die notwendigen neuen Schulen gesichert und bauen wie die Weltmeister. Wir haben einen Präventionsrat zu Gewaltprävention ins Leben gerufen, ein Büro für Bürgerbeteiligung neu aufgebaut und den ersten Bürgerhaushalt Pankows auf die Beine gestellt. 

Wir stellen uns einem Zertifizierungsverfahren als kinderfreundliche Kommune, haben eine Stelle für den Klimaschutz geschaffen. Bald tagt der erste Pankower Klimarat. Wir haben den größten Solarvertrag der Berliner Bezirke mit den Stadtwerken gemacht und die Heidekrautbahn ist bereits im Bau. 
 

Welche besonderen Herausforderungen musstest Du meistern? 

Das sind die ganz großen Bauprojekte, ob am Pankower Tor, im Blankenburger Süden und an vielen anderen Stellen. Das deutsche Bauplanungsrecht ist extrem komplex. Dazu kommen die Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung, die zusätzliche Beteiligte involviert, und natürlich das leidige Verkehrsproblem, das uns fast überall große Kopfschmerzen bereitet. Hier gibt es enorm viele Zielkonflikte, die aufgelöst oder in sehr langwierigen Prozessen rechtssicher gegeneinander abgewogen werden müssen. Auch die Beteiligung der Öffentlichkeit ist nicht ganz konfliktfrei. 
 

Du legst Dich auch gerne mal mit dem Berliner Senat an. Warum? 

Weil ich nicht anders kann. Ich bin ja nicht in die Politik gegangen, um die Faust in der Tasche zu ballen. Obwohl wir in Berlin so dicht aufeinander hocken, gibt es eine sehr große Distanz zwischen Bezirken und Hauptverwaltung. Weit verbreitet ist eine anmaßende und herablassende Haltung, die dann häufig noch mit erschreckender Unkenntnis darüber gepaart ist, unter welchen Rahmenbedingungen die Bezirke arbeiten. Leisetreterei bringt uns da nicht weiter. Berlin ist seine Bezirke. Unsere Leute stehen täglich in direktem Kontakt mit den Berlinerinnen und Berlinern. Diese Kontakte sollen möglichst positiv für beide Seiten ablaufen. Darum streite ich für die dafür notwendigen Rahmenbedingungen. 
 

Jetzt bist Du wieder Spitzenkandidat der LINKEN in Pankow und möchtest Bezirksbürgermeister bleiben. Kurz und knapp, warum? 

Weil ich mich verantwortlich fühle für das, was ich mir durch diese intensive und durchaus auch oft aufwühlende Arbeit vertraut gemacht habe. Weil ich Angefangenes weiter begleiten und erfolgreich zum Abschluss bringen will. Und weil viele Menschen mir spiegeln, dass ich es kann.  
 

Ein hochstrittiges Thema ist der Verkehr: Autos, Radfahrende, Zu-Fuß-Gehende, ÖPNV. Alle gegen alle?  

Das Rückgrat der Mobilität einer Millionenstadt ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Der muss wie der Blutkreislauf in alle Verästelungen der Stadt in stetigem Puls fließen. Daher hat sein Ausbau für mich immer Vorrang. Leider sind wir als Bezirke da nicht die Entscheider. Radverkehr hat daneben das größte Wachstumspotential, sowohl was die technischen Innovationen angeht als auch die Bereitschaft der Menschen, das Rad zu nehmen. Wenn wir es hinbekommen, dafür eine gute und vor allem sichere Radinfrastruktur aufzubauen, haben alle was davon, auch jene, die weiterhin Auto fahren müssen und es gibt weniger Konflikte. Wir müssen alltagstaugliche überzeugende Alternativen zum eigenen Auto schaffen. Die Entscheidungen treffen die Leute dann selbst. Die nachwachsende Generation ist sowieso schon auf diesem Weg.