Zu Besuch in Ashqelon (Israel)

Oskar Lederer

Seit 1994 besteht zwischen dem damaligen Bezirk (und heutigem Ortsteil Pankows) Weißensee und der israelischen Küstenstadt Ashqelon eine Städtepartnerschaft, die mal mehr und mal weniger intensiv gelebt und gefördert wurde. Ashqelon ist eine der am schnellsten wachsenden Städte in Israel mit derzeit knapp 160.000 Einwohner*innen.

In Pankow besteht ein engagierter Freundeskreis für die Städtepartnerschaft und auch Sören Benn, Bezirksbürgermeister von Pankow hatte ein großes Interesse, die Partnerstadt in unmittelbarer Nähe des Gazastreifens endlich kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen für einen Ausbau der gemeinsamen Partnerschaften im Bereich Kultur, Wohnen, Bildung, Sport und Tourismus.

Der Freundeskreis, das Bezirksamt und die Stadtverwaltung Ashqelons vereinbarten deshalb für Mitte Mai ein interessantes Programm für eine zweitägige Delegationsreise von Pankower Bezirksverordneten, Politiker*innen, Tourismusbeauftragte und Mitgliedern des Freundeskreises.

Nachdem wir uns am Sonntagabend abends in der Marina nach der individuellen Anreise gestärkt und kennengelernt hatten, ging es am Montag um neun Uhr zum Emergency Command Center, welches nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt eine Notfallzentrale beherbergt, die bei jeglichen Notfällen, insbesondere Raktenangriffen aktiviert wird.

Dr. Alan Marcus erklärte uns das von ihm entwickelte Evakuierungssystem und warum in manchen Stadtgebieten mehr Bunker sind als in anderen.

Anschließend hießen uns der Bürgermeister Ashqelons, Mr. Tomer Glam und seine Stellvertreter*innen sowie die Amtsleiter*innen willkommen.

Er berichtete, dass sich in den nächsten zehn Jahren die Anzahl der Einwohner*innen Ashqelons verdoppeln sollen und mehr Touristen angelockt werden.

Deshalb entstehen derzeit mehrere tausend neue Wohnungen und neue Hotels und Ferienhäuser entlang der Küste.

Pankows Bürgermeister Sören Benn gratulierte zur 70. Jahresfeier der Gründung des Staates Israel und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Städtepartnerschaft zwischen Pankow und Ashqelon weiter gefördert und ausgebaut wird.

Mit einem Kleinbus fuhren wir dann zum Kibbuz Be'eri, der in Sichtweite vom Gazastreifen liegt und früher regen Kontakt mit dort wohnenden Palästinsensern hatte.

Auf dem Weg dorthin fiel uns sofort der Geruch nach verbrannten Autoreifen auf und später am Tag erfuhren wir auch den Grund: Die Proteste im Gazastreifen gegen die US-Botschaft in Jerusalem und gegen die Feier der israelischen Staatsgründung.

Im Kibbuz wurden wir von Mrs. Vivien Silver sehr freundlich empfangen und kenntnisreich herumgeführt, u.a. zu einem ehemaligen Kinderhaus, welches nun als Museum fungiert.

Nach dem Essen im großen Speisesaal des Kibbuz schauten wir uns noch die moderne Papierfabrik an, die sehr klein anfing und mittlerweile viele Druckaufträge für Wirtschaft und Staat ausführt und damit fast den gesamten Umsatz des Kibbuz ausmacht.

Am nächsten Morgen besuchten wir das Ilana Shafir Museum, welches aus dem Garten, Wohnhaus und der Werkstatt der Mosaik-Künstlerin Ilana Shafir besteht.

Was für ein wunderschönes Paradies aus Scherben, Pflanzen und Farben.

Ihr Sohn Giora Shafir erzählte und zeigte uns die spannende und berührende Geschichte der in Jugoslawien aufgewachsenen Jüdin, die wie ein Wunder den Holocaust überlebte und nach der Auswanderung nach Ashqelon als Künstlerin neu anfing und mit der Zeit Weltruhm für ihren Mosaik-Stil erhielt.

Danach zeigten uns Mr. Gad Sobol und Alan Marcus die vielfältigen Fazetten der Stadt Ashqelon, angefangen im Nationalpark am Mittelmeer mit archäologischen Ausgrabungen und Forschungsprojekten mit Schüler*innen zum Anbau altertümlicher Nahrungs- und Nutzpflanzen.

Weiter ging es zur beeindruckenden öffentlichen, neu gebauten Bibliothek mit modernster Technik und ausgefallenen Ideen, die uns von der engagierten Leiterin vorgestellt wurde.

Danach fuhren wir durch mehrere Neubaugebiete zur Makif High School, an der uns die sehr motivierten Lehrerinnen erklärten, wie sie versuchen mit Kunst alle Schüler*innen, auch die schwierigsten zu erreichen und für Bildung zu begeistern.

Ihr Motto ist: In jedem Kind steckt ein Talent, es muss nur entdeckt werden und so leben sie jeden Tag soziale Gerechtigkeit und persönliche Freiheit ihren Schüler*innen vor.

Die Ergebnisse sprechen für sich, es ist die beliebteste Schule in Ashqelon und die Ergebnisse der Schüler*innen steigen mit jedem Jahrgang.

Nachdem wir uns noch den alten Stadtkern angeschaut und in einem Café kurz ausgeruht hatten, trafen wir in einem der elf öffentlichen Community Center (Nachbarschaftshäuser) auf deutschsprachige Jeckes und Vertreter der Stadtverwaltung und überlegten gemeinsam, was uns verbindet und wie beide Städte zukünftig mehr miteinander arbeiten und voneinander lernen können.

Dort trafen wir durch Zufall auch die Ur-Ur-Ur-Enkelin des USPD-Vorsitzenden Hugo Haase, die mit ihrer Familie in Ashqelon lebt.

Es waren sehr beeindruckende Erlebnisse und spannende aber auch sehr berührende Tage in Ashqelon, die wieder einmal die vielen Widersprüche in Israel aufgezeigt, aber auch Hoffnung für die Zukunft gemacht haben.

Wichtig sind letztlich immer die Menschen vor Ort, deren Engagement und Hoffnung in gemeinsame Projekte und für den Frieden nur unterstützt werden kann und regen Widerhall bei uns fand.

Erste Ideen für konkrete Partnerschaften und Aktionen zwischen den Städten sind bereits geplant, z.B. ein Besuch aus Ashqelon im kommenden Jahr zum 25. Jubiläum der Partnerschaft.

Während der Reise hat uns die Journalistin Anja Reich, Korrespondentin der Berliner Zeitung aus Tel Aviv, begleitet und eine Reportage über die Reise verfasst hat.

Die Reportage kann hier nachgelesen werden kann.