Streiflicht: Gratis ist nicht gleich Gratis

Kürzlich sah sich die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik zu einem handfesten Statement gezwungen – nein, nein, nicht zur Clankriminalität, sondern in eigener Sache. Sie sei, so wörtlich, "überrascht, irritiert und menschlich enttäuscht" gewesen, als sie erfahren habe, dass ein gemeinsames Essen (und Trinken) in der Wohnung von rbb-Intendantin Patricia Schlesinger von dieser anschließend beim Sender abgerechnet worden sei. Denn das Treffen sei eindeutig privater Natur gewesen.

Nichts liegen lassen, nehmen, was man kriegen kann, das scheint die Devise der Nichtmehrchefin des Senders gewesen zu sein. Und das bei einem Jahresgehalt von 303.000 Euro! Da passte es eigentlich, dass Finanzminister Christian Lindner prompt über eine "Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen" wetterte. Nicht doch, er meinte natürlich nicht die Schlesingers in diesem Lande, die auch bei einem sechsstelligen Einkommen selbst die popligsten Bewirtungskosten dem öffentlich finanzierten Arbeitgeber in Rechnung stellen. Er meint all jene, nicht selten unterprivilegierten Menschen, die ob ihrer guten Erfahrungen einer Fortführung des 9-Euro-Tickets das Wort reden. Mit moralischer Entrüstung fabulierte er, ein solches Ticket sei "nicht nachhaltig finanzierbar, nicht effizient und nicht fair".

Wer so die Menschen in diesem Lande beschimpft, dessen Integrität sollte doch zumindest eine gewisse Makellosigkeit aufweisen. Doch Pustekuchen. Denn ganz selbstverständlich verfügt Lindner über eine komplett vom Staat bezahlte Bahncard 100, natürlich erster Klasse, trotz Dienstwagen plus Chauffeur. Und sich kirchlich trauen lassen, ohne Kirchensteuer zu bezahlen? Na klar, ein solcher Deal wird in seiner Welt wohl eher gefeiert, Gratismentalität hin oder her.


HaSe