Ohne Scham und ohne Chuzpe

Auf einem riesigen Plakat in Mitte postulierte vor einigen Wochen ein Tech-Unternehmen ein Zitat des früheren britischen Premiers Arthur Chamberlain: „Im Krieg gibt es keine Gewinner, sondern alle sind Verlierer.“ So berühmt sein Verfasser - so falsch die Aussage.

Denn natürlich gibt es sie, die Kriegsgewinnler. In unserer Gegenwart eines Krieges von Russland gegen die Ukraine stopfen sich insbesondere Energiekonzerne und Banken die Taschen voll. Ohne Scham und ohne Chuzpe. Laut einer aktuellen Expertise der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) haben allein die sechs größten Mineralölkonzerne 60 Milliarden US-Dollar mehr Gewinn im ersten Halbjahr 2022 gemacht als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Auf der anderen Seite steht die staatliche Rettung von Aktiengesellschaften wie Uniper, deren Geschäftsmodell der Spekulation im Gashandel schon vor dem Krieg gescheitert war.

Der Weg aus dem doppelten Dilemma, den die Expertise aufzeigt, ist plausibel. Auf die überdurchschnittlichen Gewinne der Kriegsgewinnler würde vom Staat eine Sondersteuer (Übergewinnsteuer) erhoben werden, um mit diesem Geld dann sowohl unter Druck geratene energieverbrauchende Menschen wie eben auch Unternehmen zu unterstützen. Einige europäische Länder haben bereits diese Steuer eingeführt. Laut der RLS-Expertise könnten so in Deutschland bis zu 102 Milliarden Euro im Jahr allein im Energiesektor eingenommen werden.

Doch was macht diese Ampelregierung? Wollte sie zunächst die exorbitanten, nur durch Spekulation getriebenen Gewinne nahezu unangetastet lassen, versucht sie sich in einem fragwürdigen, kreditfinanzierten Gaspreisdeckel für 200 Milliarden Euro. Die Kredite bezahlen dann die Steuerzahler*innen ab, bei Erhalt von Lindners Schuldenbremse. Unsozialer geht’s nicht und am Energiemarkt dürften die Sektkorken knallen.


HaSe