Freie Träger am Limit
Soziale Arbeit, mit Kindern und Jugendlichen, älteren Menschen oder besonders Unterstützungsbedürftigen, lebt von Vertrauen und Kontinuität. Diese Beziehungsarbeit erfordert hohes Einfühlungsvermögen und Empathie. Doch was von Sozialarbeitenden tagtäglich erwartet wird, das lässt die Berliner Regierungskoalition derzeit vermissen.
Durch Rundschreiben der Senatsfinanzverwaltung wurde allen Zuwendungsstellen des Landes Berlin jegliches Verwaltungshandeln untersagt, „das im Zusammenhang mit der Bewilligung von Zuwendungsbescheiden (…) steht und auf eine Auszahlung ab dem Haushaltsjahr 2025 gerichtet ist“.
Was sich lediglich wie eine Verzögerung anhört und von manchem Verantwortlichen als „Schutzschirm für den Haushalt“ verkauft wird, richtet schon jetzt großen Schaden an. Denn diese Ansage unterscheidet sich deutlich von allem, was Zuwendungsempfänger aus den Vorjahren kennen. Ausdrücklich sollen „keine faktischen Erwartungen auf den Erhalt von Zuwendungen geweckt werden“, oder anders gesagt: Jede und jeden kann es treffen. Gleichzeitig stehen Kürzungen in Höhe von zehn Prozent im Raum und wird beschwichtigend von „finanziellen Nullrunden“ gesprochen. Aber: Wer nun von Nullrunden spricht, fordert reale Kürzungen, das muss allen klar sein. Auch Mitarbeitende freier Träger müssen bei Lohnerhöhungen teilhaben.
Leitungen und Vorstandsmitglieder der sozialen Organisationen stehen vor einem Dilemma: Sie wollen keine Unruhe schüren, aber sie können auch nicht untätig bleiben. Schließlich können sie nicht wissen, ob ihre Organisation oder ihr Projekt auf einer der geheimen „Giftlisten“ steht. Sie müssen Haushaltspläne machen und in ihren Gremien abstimmen, sie müssen fair mit den Mitarbeitenden kommunizieren und die Aufgaben des nächsten Jahres planen. Ob sie heute noch dringend benötigte Beratungstermine für das nächste Jahr an Menschen, die diese Beratung dringend brauchen, geben können, bleibt ungewiss.
Vertrauen und Kontinuität sind Voraussetzung für soziale Arbeit, Unterstützung von Hilfesuchenden, Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Das Handeln der Regierung zerstört hierfür gerade die Grundlagen. Es braucht einen Schutzschirm für die soziale Arbeit in Berlin!
Martin Hoyer
Stellv. Geschäftsführer Der Paritätische Berlin