"Berlin lebt von der Subkultur!"

Jil Brest vom Tuntenhaus-Kollektiv im Gespräch über den großen Erfolg - den Erhalt des Tuntenhauses in der Kastanienallee

Jil, im Mai kam die gute Nachricht: Das Vorkaufsrecht kann angewendet und das legendäre Tuntenhaus gerettet werden! Wie hat sich dieser Erfolg im Kampf um euer Haus angefühlt?

Große Erleichterung! Bei mir hat es etwas gedauert, bis ich das emotional realisiert habe. Bis kurz vorher gab es ja viele Unklarheiten: Welches Konzept bevorzugt der Senat, wie verhält sich der Investor...? Als ich morgens am 16. Mai den Anruf bekam, war ich damit beschäftigt, die gute Nachricht zu verbreiten. Bei anderen gab es aber direkt Tränen der Erleichterung. Das kam bei mir erst am nächsten Tag.

Was musste alles passieren, damit das mit dem Vorkaufsrecht überhaupt klappen konnte?

Der Bezirk hat sehr engagiert das Verfahren geprüft und der nötige Drittkäufer stand mit der SelbstBau e.G. früh bereit. Der Senat war zwar aufgeschlossen, aber hatte zuvor eine Haushaltssperre verhängt! Zum Glück trat die Stiftung Edith Maryon auf den Plan. Kurz vor Fristablauf erwog auch noch der Investor das Vorkaufsverfahren scheitern zu lassen. Drei Monate Stress!

Und ihr habt schwer gekämpft, gewirbelt, Demos veranstaltet und vieles andere mehr.

Acht Demos! Fünf vorm Abgeordnetenhaus, eine große vor dem Tuntenhaus, eine in Bayern – dazu jeden Samstag offener Hof. Dank unserer vielen Unterstützer*innen! Als einzelne Hausgemeinschaft hat man kaum die Kraft, das zu stemmen. Man braucht Freund*innen, die unterstützen. Man muss so vieles organisieren, mit Politik und Presse sprechen, bei Demos um 8:30 Uhr vor dem Abgeordnetenhaus sein. Man muss dauerpräsent sein.

Wie ist eure Situation aktuell?

Wir sind jetzt bei der Stiftung Edith Maryon, die schon mehrere Häuser in Berlin gerettet hat und sich für den Erhalt von kulturellen Räumen einsetzt. Unser Haus soll instandgesetzt werden und dann in Erbpacht an die Genossenschaft übergehen. Dafür müssen wir jetzt planen, zum Beispiel wegen der großen Wohngemeinschaften - da bräuchte nicht jede Wohneinheit ein eigenes Bad. Wir puzzeln noch, um möglichst viel Wohnraum zu erhalten und mit einem zeitgenössischen Standard zu vereinbaren.

Die Erfahrungen aus eurem Kampf gebt ihr jetzt auch an andere weiter. Und politisch muss es doch darum gehen, dass wir endlich wieder ein wirksames Vorkaufsrecht bekommen, das nicht nur bei ganz wenigen Fällen überhaupt greift?

Ja, klar! Wir brauchen alle Mittel, um Wohnraum der Spekulation zu entziehen und Berlin wieder zu einer „Stadt der Mieter*innen“ zu machen. Dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag darf keine leere Phrase bleiben. Und dazu gehört eben, den Bestand zu erhalten. Berlin ist ja nicht deshalb attraktiv, weil es so eine schöne Altstadt hätte, sondern weil es hier viel zu erleben gibt, und das lebt von der Subkultur.


Interview: Tobias Rieder